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Kriegszeugen erzählen

Die Texte, die Sie hier lesen können, vermitteln einen Eindruck, wie Menschen die Ausnahme- situation Bombenkrieg erlebt haben. Es sind einzelne Momentaufnahmen,die von der scheinbaren Normalität im Kriegsalltag bis zur Schilderung von lebensbedrohlichen Situationen reichen. Die Texte sind Extrakte aus Interviews, die Mitarbeiter des Kriegszeugenprojekts, mit Zeitzeugen aus Kiel und Umgebung geführt haben.

 


"Ich bekam keine Luft und habe meinen Kopf bei meiner Mutter in den Rücken gepresst. Und wir sind gerannt und gerannt und endlich, als wir an der Ecke waren, haben wir gemerkt, dass es regnet.

Es war eine Totenstille.

Und da war ja das Elbufer, da sind wir runter und haben uns hingehockt.

So nachts um drei und es war kalt und nass.

Und meine Mutter sagte zu mir, da brennt ein Stück Holzbalken, geh` dahin, da kannst du dich ein bißchen wärmen. ...

Und dann sahen wir, dass das ein Mensch war. Es war eine Frau mit einem Stück einer Brandbombe im Kopf, tot und verschmort."

(Frau Kollmorgen berichtet über eine Bombennacht in Dresden)

"Was mich eigentlich am meisten da mitgenommen hat, das war eine alte Frau, die hatte einen Regenschirm, und da hing ein Vogelkäfig dran.

Den hat sie auf`m Rücken gehabt. Die Tür war offen, und die Vögel waren auch weg.

Und so ist sie durch die Gegend getappt, eine alte Frau. Naja, alt... alt haben wir in der Nacht bestimmt alle ausgesehen. Grau und dreckig und so.

Das ganze Brennen und das alles war selbstverständlich. Aber diese Frau mit diesem Vogelkäfig... mit dem leeren...

Das kriegst nicht los."


(Frau Dietrich beschreibt ihrem Marsch durch das zerstörte Hamburg nach dem Feuersturm 1944)


Und da war die „Monte Sarmiento“.

 

"Ich weiß nicht, ob Ihnen das etwas sagt?
Das war ein Schiff für Marinesoldaten, ein Ausbildungsschiff oder so in dieser Richtung; und die „Monte Sarmiento“ die lag schräg gegenüber im Hafen – hier am Ostufer natürlich – und die hatte Volltreffer gekriegt, war auf die Seite gekippt und qualmte und brannte innen, und die Soldaten versuchten herauszukommen und konnten nicht alle raus.
Einige hatten es geschafft, die kamen dann verletzt oder auch noch gesund im Bunker an. Andere Soldaten sind drinnen umgekommen, und mindestens aus zwei Bullaugenfenstern hatten die Soldaten versucht rauszukommen, und die Bullaugenfenster, die sind ja nur – ich weiß nicht, wieviel Durchmesser sie haben...., aber jedenfalls hatten sie es mit einem Arm und dem Kopf geschafft und da hingen sie nun – hinten verbrannt – und vorne, naja, tot waren sie auf jeden Fall.
Und da hingen sie mindestens noch zwei Tage, weil man an das Schiff irgendwie nicht rankam."

(Emma Ewert berichtet über das Drama auf der „Monte Sarmiento“ im Kieler Hafen, 1942)